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RE: Abort
Hallo Nelli,
lass Deine Trauer zu - auch wenn nicht jede(r) sie wirklich nochvollziehen kann. Du bist mit diesen Gefühlen nicht allein auf der Welt. Vielleicht hilft es Dir, wenn ich Dir meine Geschichte erzähle:
Als ich mit meinem damaligen Freund ungefähr 10 Jahre zusammen war, beschlossen wir, Eltern zu werden. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich tatsächlich schwanger wurde. Ich freute mich sehr, mein Freund war eher skeptisch, ob wir damit die richtige Entscheidung getroffen hatten. Trotzdem überraschte er mich nach ein paar Wochen mit der Frage, ob wir unseren geplanten Urlaub nicht zum heiraten nutzen sollten. Das Aufgebot war schnell bestellt und alle Vorkehrungen zu einer "heimlichen" Heirat auf Sylt gemacht - ganz ohne Verwandtschaft. Leider kam alles ganz anders als gedacht.
In der 13. SSW, mitten im Sylturlaub, 2 Tage vor der Hochzeit, setzten unvermittelt Blutungen ein, mir wurde übel und es war mir sehr schnell klar, was passieren würde. Im Krankenhaus stellte man nur noch fest, dass nichts mehr von der einstigen Schwangerschaft zu finden war. Es folgte eine Ausschabung, ich war nurnoch ein Häufchen Elend, voller Trauer und Wut. Zum Standesamttermin bekam ich quasi "Urlaub" vom Krankenhaus und musste den Rest der Hochzeitsreise mit relativ viel Liegen verbringen.
Der größte Schock war nicht, dass ich wegen dieses Krankenhausaufenthaltes keinen Sondertag Urlaub für die Hochzeit erhielt, denn mein Arbeitgeber hatte seine Personalabteilung beauftragt, sich nach den gesetzlichen Möglichkeiten zu erkundigen, die wohl so waren, dass ihm die Streichung des Sonderurlaubs möglich gewesen war. Es war auch nicht unmittelbar das Unverständnis meiner jungen Kollegin, die meinte, ich hätte ja noch kein Leben gespürt und könne jederzeit wieder schwanger werden, weshalb meine Trauer ein wenig übertrieben sei.
Der größte Schock war, dass eine andere Kollegin, die bereits ein gesundes Kind hatte, während einer Betriebsfeier bekannt gab, dass sie wieder schwanger sei - das war wenige Wochen nach meinem Verlust. Ich musste das Fest verlassen, um ihr die Freude nicht zu verderben, denn ich empfand es als ungerecht, dass diese Frau bereits ein zweites Kind in sich trug, während ich nicht einmal dieses eine behalten durfte. Auch für diesen Schmerz fand ich bei Menschen kein Verständnis, die selbst noch nie ein Kind verloren hatten.
Ich habe heute eine gesunder Tochter, mit der ich eine sehr risikobelastete Schwangerschaft hatte. Die Partnerschaft zu meinem damaligen Mann hat dieser neuerlichen Belastung nicht standgehalten. Wir haben uns getrennt als unsere Tochter kaum 1,5 Jahre alt war. Sicher hatte auch eine Rolle gespielt, dass er mir irgendwann einmal gestand, Zweifel an der Gesundheit des ersten Kindes gehabt zu haben, die ihn eher erleichtert denn vor Trauer hatten weinen lassen, während ich schluchzend in seinen Armen lag. Diesen Verrat habe ich ihm nie verziehen.
Egal, wie jung eine Schwangerschaft auch ist, sie ist mit so viel Vorfreude, mit soviel Sehnsucht und mit so vielen Hoffnungen begleitet worden, dass eine Seele das unerwartete Ende ersteinmal verdauen muss, bis sie wieder Schwangere neidlos betrachten oder sich gar mit ihnen freuen kann. Jedenfalls hat das bei mir erst stattfinden können, nachdem ich selbst wieder schwanger war. Andere Frauen mögen da weniger Probleme haben. Und Verständnis kann frau von kaum jemandem erwarten, der nicht selbst durchlebt hat, was einem wiederfahren ist.
Das ist meine Erfahrung. Ich hoffe, Du findest Trost bei Deinem Partner und kannst bald einen neuen Versuch wagen, wieder schwanger zu werden. Ohne diese Möglichkeit wäre ich wahrscheinlich verzweifelt.
Alles Gute!
Anke
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